Agile Coaches sind derzeit stark nachgefragt. Sie begleiten die Transformation eines Unternehmens von einer klassischen zu einer agilen Organisation.
Das Berufsbild des agilen Coachs benötigt dabei spezielle Kompetenzen, die durch die Komplexität der Organisationsentwicklung bedingt werden. Doch was genau zeichnet einen agilen Coach fachlich und persönlich aus? Was wird konkret unter agilem Coaching verstanden?
Bei näherer Betrachtung des Themas, wird man feststellen, dass weder in der Wissenschaft noch in der Praxis Einigkeit herrscht, was einen agilen Coach ausmacht. Daher hat sich die Tagueri AG genau diesem Problem angenommen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Wir führten eine wissenschaftlich fundierte, qualitative Auswertung von Experteninterviews durch, mit welcher wir die Kompetenzen eines agilen Coachs herausarbeiteten.
Auswertung von Experteninterviews
Die Befragung umfasste sowohl agile Coaches, als auch deren direkt gecoachte Kunden im Konzernumfeld, um jeweils beide Perspektiven in die Ergebnisse miteinfließen zu lassen.
So konnten wir die folgenden interessanten Aspekte erfahren, die im Rahmen des agilen Coachings relevant sind:
1. Unterscheidung zwischen Scrum Master und Agile Coach
Der agile Coach agiert verstärkt auf der übergeordneten organisatorischen Ebene (Organisationsentwicklung) und zeichnet sich durch seine Neutralität aus. Der Scrum Master hingegen stellt eine Rolle des Frameworks dar und ist Teil des Teams. Sein Fokus liegt daher verstärkt auf der individuellen und Teamebene. Ein agiler Coach kann durchaus auch einen Scrum Master coachen.
2. Definition agiles Coaching
Agiles Coaching unterstützt Organisationen bei der agilen Transformation und dem damit zusammenhängenden Paradigmenwechsel im Menschenbild. Der Coach agiert dabei adaptiv (situativ & individuell) auf die Kundenbedürfnisseund nimmt jeweils eine angemessene Rolle (Trainer, Coach, Mentor, Berater, Mediator) ein. Er regt durch Reflexionsprozesse im Unternehmen die eigenständige Lösungsfindung an.
Agile Coaches öffnen Möglichkeits- und Lösungsräume für die gecoachte Organisation und deren Mitglieder durch Impulse und methodische Unterstützung. Durch ihre agile Fachexpertise können sie Kunden aber bei Bedarf auch konkrete Lösungsvorschläge an die Hand geben.
3. Wertbeitrag eines externen agilen Coaches
Besonders im Hinblick auf die Objektivität wird ein externer agile Coach als positiv wahrgenommen. Er kann dadurch unvoreingenommen mit den Personen im Projekt agieren und auch als unabhängiger Gesprächspartner von internen Mitarbeitern wahrgenommen werden.
Vor allen Dingen hilft die Neutralität in konzernpolitischen Herausforderungen. Ein weiterer Vorteil wird in der externen Expertise gesehen, um inhaltliche Impulse geben zu können. In diesem Zusammenhang wird auch die Berufserfahrung des agilen Coaches als sehr wichtig erachtet.
Darüber hinaus gibt die Expertise Sicherheit im Umgang mit Menschen und herausfordernden Situationen. Die interviewten Kunden sind der Auffassung, dass ein einzelner agile Coach in einer Konzernstruktur noch nicht viel ausrichten kann, jedoch ein verstärkter Einsatz von agile Coaches eine vollumfängliche agile Transformation einleiten könnten.
4. Kompetenzen eines agilen Coaches
Die Befragung hat ergeben, dass persönliche und sozialen Eigenschaften die wichtigsten Kompetenzen eines agilen Coaches sind. Die inhaltliche und fachbezogene Ausrichtung und das Know-How in agilen Arbeitsweisen kann bei Bedarf angeeignet und erweitert werden, wohingegen das Menschliche ausschlaggebend ist. Die Interviewten halten die folgenden aufgeführten Kompetenzen für maßgebend:
- Empathie (Menschenkenntnis)
- Offenheit
- Durchsetzungsvermögen
- Selbstreflexion und persönliche Reife
- Konstruktiver Umgang mit Kritik
- Kommunikationsstärke inkl. diplomatischen Geschicks
- Sich selbst zurücknehmen und im Hintergrund stehen können
- Geduld und Durchhaltevermögen
- Integrität und Authentizität
- Respekt und Anerkennung anderer Standpunkte
- Strukturierte Arbeitsweise
5. Herausforderungen im Konzernkontext und die Rolle des agilen Coaches
In der näheren Betrachtung der Interviews fällt auf, dass die Beraterleistung im agilen Coaching besonders zu Beginn der Projektphase und auf der organisatorischen Ebene stark vertreten und von den Kunden erwünscht ist.
Somit ergibt sich ein deutlicher Widerspruch zur Theorie, in welcher die inhaltliche Neutralität verstärkt betont wird. Auch im Hinblick auf das Verständnis von Agilität lässt sich aus den Interviews entnehmen, dass für Kunden und Coaches die Sach- und Beziehungsebene eine unterschiedliche Priorisierung hat.
Für die Coaches sind das agile Mindset und der Paradigmenwechsel im Menschenbild die Basis für Agilität. Aus den Kundeninterviews lässt sich das jedoch so nicht immer explizit herauslesen. Für sie sind offensichtliche und sichtbare Aspekte präsenter, da die klassische Arbeitsweise auf das Erreichen von schnellen Ergebnissen konzipiert ist.
Dennoch kann aus Äußerungen abgeleitet werden, dass ihnen agile Werte implizit wichtig sind. Daher gilt für die Unternehmenspraxis sowohl bezüglich der Agilität als auch des agilen Coachings noch stärker das gemeinsame Verständnis von Kunde und Coach anzustreben und das Bewusstsein für die Wichtigkeit des agile Mindset explizit zu machen. Dies ist notwendig, da kulturelle Aspekte und mit ihnen das agile Mindset der Kern von Agilität sind.